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GOTT UND CORONA

Dr. Isaac Padinjarekuttu

Zwei Fragen, die sich selbst die religiösesten Menschen heutzutage stellen sind: Warum passiert das? Wo ist Gott in all dem? Dies sind im Wesentlichen die gleichen Fragen, die Menschen stellen, wenn ein Hurrikan Hunderte von Menschenleben auslöscht oder wenn ein Erdbeben ganze Städte in wenigen Sekunden platt macht und Tausende von Menschen tötet oder ein einzelnes Kind an Krebs stirbt. Es wird das „Problem des Leidens“, „das Geheimnis des Bösen“ oder die „Theodizee“ genannt, und es ist eine Frage, mit der sich Heilige und Theologen seit Jahrtausenden auseinandergesetzt haben, aber ohne eine befriedigende Antwort. Die Frage des „natürlichen“ Leidens (an Krankheiten oder Naturkatastrophen) unterscheidet sich von der des „moralischen Übels“ (bei dem das Leiden aus den Handlungen des Einzelnen oder Gruppen resultiert – denken Sie an Hitler und Stalin). Abgesehen von theologischen Unterscheidungen beschäftigt die Frage jetzt Millionen von Gläubigen, die täglich konfrontiert sind mit der stetig steigenden Zahl der Todesopfer des Coronavirus, mit Geschichten von Ärzten, die gezwungen sind, auszuwählen zwischen Patienten, die eine Lebenschance haben, und solchen, bei denen das nicht mehr der Fall ist, und mit Fotos von Sargreihen. Warum?

Im Laufe der Jahrhunderte wurden viele Antworten über natürliches Leiden angeboten, die alle auf irgendeine Weise mangelhaft waren. Am häufigsten hört man, dass Leiden ein Test, eine Prüfung ist. Das Leiden prüft unseren Glauben und stärkt ihn: „Nehmt es voll Freude auf euch, meine Brüder und Schwestern, wenn ihr in mancherlei Versuchungen geratet! Ihr wisst dass die Prüfung eures Glaubens Geduld bewirkt“, heißt es im Jakobusbrief im Neuen Testament. Eine solche Erklärung kann in kleinen Prüfungen hilfreich sein, aber sie scheitert an den schmerzhaftesten menschlichen Erfahrungen. Sendet Gott Krebs, um ein kleines Kind zu „testen“? Die Eltern des Kindes lernen vielleicht etwas über Ausdauer oder Glauben, aber dieser Ansatz kann Gott zu einem bösen Monster machen.

So auch das Argument, dass Leiden eine Bestrafung für Sünden ist, ein immer noch verbreiteter Ansatz unter einigen Gläubigen (die normalerweise sagen, dass Gott Menschen oder Gruppen bestraft, die sie selbst missbilligen). Aber Jesus selbst lehnt diesen Ansatz ab, wenn er einem blinden Mann begegnet, wie im Johannesevangelium erzählt wird. Die Jünger fragen: „Rabbi, wer hat gesündigt? Er selbst oder seine Eltern, sodass er blind geboren wurde?“ „Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern die Werke Gottes sollen an ihm offenbart werden“, antwortet Jesus. Dies ist Jesu endgültige Ablehnung des Bildes eines monströsen Gottes. Im Lukasevangelium sagt Jesus über die Menschen, die beim Einsturz des Turms am Schiloach erschlagen wurden: „Meint ihr, dass sie größere Schuld auf sich geladen hatten als alle anderen Einwohner von Jerusalem? Nein, sage ich euch.“

Am Ende lautet die ehrlichste und genauester Antwort auf die Frage, warum das Covid-19-Virus Tausende von Menschen tötet, warum Infektionskrankheiten die Menschheit verwüsten und warum es überhaupt Leiden gibt: Wir wissen es nicht. Man könnte auch vorschlagen, dass Viren Teil der natürlichen Welt sind und in irgendeiner Weise zum Leben beitragen, aber dieser Ansatz scheitert bitter, wenn man mit jemandem spricht, der einen Freund oder einen geliebten Menschen verloren hat. Eine wichtige Frage für den Gläubigen in Zeiten des Leidens lautet: Kannst du an einen Gott glauben, den du nicht verstehst? Aber wie Augustinus sagte: Wenn du es verstehst, ist es nicht Gott.

Aber wenn das Geheimnis des Leidens nicht zu beantworten ist, wohin kann der Gläubige in Zeiten wie diesen gehen? Für die Christen und vielleicht sogar für andere ist die Antwort: Jesus. Christen glauben, dass Jesus wahrer Gott und wahrer Mensch ist. Dennoch übersehen wir manchmal den zweiten Teil. Jesus von Nazareth wurde in eine Welt der Krankheit hineingeboren, viel schlimmer als unsere heutige Welt. Exegeten, die sich mit dem historischen Hintergrund Jesu beschäftigt haben, sagen uns, dass in den Zeiten Jesu ein Fall von Grippe, Erkältung oder Zahnabszess definitiv töten konnte.

Darüber hinaus suchte Jesus in seinem öffentlichen Dienst ständig diejenigen auf, die krank waren. Die meisten seiner Wunder waren Heilungen von Krankheiten und Behinderungen: Hauterkrankungen (unter der Überschrift „Lepra“), Epilepsie, der „Blutfluss“ einer Frau, eine verdorrte Hand, „Wassersucht“, Blindheit, Taubheit, Lähmung usw. In diesen beängstigenden Zeiten können Christen Trost finden, wenn sie wissen, dass sie, wenn sie zu Jesus beten, zu jemandem beten, der sie nicht nur versteht, weil er göttlich ist und alle Dinge weiß, sondern weil er menschlich ist und alle Dinge erlebte.

Auch diejenigen, die keine Christen sind, können ihn als Vorbild für die Pflege der Kranken sehen. Es ist unnötig zu erwähnen, dass bei der Pflege von Personen mit Coronavirus die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden sollten, um die Infektion nicht weiterzugeben. Aber für Jesus war der Kranke oder Sterbende nicht der „Andere“, nicht einer, der beschuldigt werden sollte, sondern unser Bruder und unsere Schwester. Als Jesus Menschen in Not sah, sagen uns die Evangelien, hatte er Mitleid mit ihnen. Er ist ein Vorbild dafür, wie wir uns in dieser Krise kümmern sollen: von Herzen, mit Mitleid. Das betrifft nicht nur die erkrankten Menschen, sondern alle, die in vielfältiger Weise darunter leiden. Vielleicht sagt Jesus uns: „Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen?“ (Adaptiert von James Martin SJ, „Where is God in a Pandemic“: NYT, 22.03.2020)