Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
Die freudige Botschaft von heute lautet: „Jesus ist auferstanden, Jesus ist in unserer Mitte“ – sollten wir da nicht jubeln und singen vor lauter Freude? Müssten unsere Gesichter nicht strahlen und lachen? Doch sehen wir uns um: nicht viel von der Freude ist zu sehen! Ganz im Gegenteil: Angst, Ratlosigkeit, Unsicherheit, ungläubiges Staunen! Die Gründe für diese Furcht und Angst, Unsicherheit und Ratlosigkeit brauche ich Ihnen nicht zu erklären. Die Grundordnung der Welt, wie wir sie kennen, ist ins Wanken geraten. Unsere Lebensweise ist gestört und kehrt vielleicht nicht mehr zurück. Viele haben wirklich Angst vor der Zukunft.
Auch damals: Die Frauen kommen zum Grab; sie sind voll Furcht und Angst. Sie sind auch traurig. Am Anfang ist es schwierig für sie, an die Auferstehung zu glauben. Aber dann sind sie voll Freude und eilen zu den Anderen, um über das große Ereignis zu berichten. Was hat die Frauen dazu gebracht zu glauben? Die Begegnung mit dem auferstandenen Jesus selbst. Sie suchen ihn vergeblich im leeren Grab und sind traurig, weil sie ihn dort nicht finden. Die beiden Engel am Grab Jesu fragen die Frauen: „Warum sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ Es trifft auch uns das Wort der Engel. Wenn wir traurig sind über das, was verlorengegangen ist, wenn wir voll Furcht und Angst sind vor dem, was uns erwartet, dann ist es wie ein Herumtappen in einem leeren, dunklen Grab. Dann können wir keine Osterfreude haben. Freude kann nur Jesus schenken, der sagt: Fürchtet euch nicht.
Blicken wir einmal auf Maria von Magdala. Sie bleibt am Grab Jesu und weint. Das ist eine ganz normale menschliche Reaktion angesichts des Todes. Es war auch wichtig für sie, die Trauer auszudrücken. Das Weinen ist auch für uns wichtig, wenn wir dem auferstandenen Jesus heute begegnen wollen. Wir weinen über die Situation unserer Gesellschaft, über die Lage unserer Kirche und über unser eigenes Leben. Genau inmitten ihres Weinens hat Maria von Magdala Jesus erkannt. Das hat ihr Leben verwandelt. Der starke Glaube an Jesus hat ihr die Kraft gegeben, ihre Trauer zu durchleben, Jesus treu zu bleiben und dann voller Freude den auferstandenen Jesus zu verkünden. Die Kirche schenkt uns die fünfzig Tage der Osterzeit, um diesen Osterglauben wieder ganz bewusst in uns aufzunehmen. Nicht nur im wörtlichen Sinn, sondern auch vor den Gräbern unserer Enttäuschungen, unserer Zukunftsangst, unserer Hoffnungslosigkeiten in diesen Zeiten.
Wenn wir an die Kraft des auferstandenen Jesus glauben, werden wir die Krise der heutigen Zeit als ein Moment der Wahrheit annehmen. Sie wird uns in den nächsten Wochen vor Augen führen, was funktioniert und was nicht, und uns zwingen, eine Wahl zu treffen. Hoffentlich werden die Dinge für uns eine andere Bedeutung bekommen. Hoffentlich werden wir feststellen, dass wir auf vieles verzichten können. Hoffentlich werden wir anfangen, unser Leben neu zu bewerten, das heißt: den Dingen, die es verdienen, einen Wert zuzuschreiben und den anderen eben nicht. Mit anderen Worten, den wahren Wert der Dinge zu erkennen, Möglicherweise fördert die Krise manche Besinnung, um das eigene Leben zu überprüfen bei allem, was wir arbeiten, managen, konsumieren, oder auch einschränken. Vielleicht wächst aus Drangsal auch wieder Einsicht, ergibt sich die Chance für ein sinnvolleres Leben. Lasst uns glauben: Für Gott ist nichts unmöglich (Lukas 1:37).
Ich schließe meine Gedanken mit einem Gebet.
Guter Gott! Wir bitten dich um alles, was wir uns von Herzen wünschen: um Freude am Leben, an unserer Arbeit, vor allem aber um Gesundheit und einen sicheren Weg.
Wir erbitten von dir, was wir am meisten brauchen, um Mensch zu sein: die Zuneigung derer, mit denen wir leben, die Treue unserer Freunde, die Liebe derer, die wir lieben, und den Großmut aller, vor denen wir im Unrecht sind.
Wir bitten dich, guter Gott, um eine sichere Zukunft für die Kinder und um glückliche Tage für unsere älteren Mitmenschen, um Genesung für unsere Kranken.
Ich wünsche Ihnen, nicht einfach nur „Frohe Ostern!“ Das sagt man so schnell. Ich wünsche Ihnen allen, dass Sie dem Lebendigen Gott begegnen, denn er ist immer in unserer Mitte. Möge er uns helfen zu erfahren: Jesus ist auferstanden, er ist mit uns, er lebt unter uns, er lebt durch uns und für uns. Amen.
Moderator Mag. Herbert Reisinger