Gedanken zum 11. Sonntag im Jahreskreis: A 14. Juni 2020 (Mt 9,36 – 10,8)
Wie aktuell die Botschaft Jesu, das Evangelium ist, zeigt dieser Sonntag. Jesus sieht die vielen Menschen, die müde und erschöpft sind wie Schafe, die keinen Hirten haben. „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter“, hören wir aus dem Munde Jesu.
Ja, das ist auch unsere Situation heute! Wir merken es auch in unserem Pfarrverband. So viel wäre zu tun. Die Menschen brauchen Hirten, die für sie da sind, die ihnen den Weg weisen, die ermutigen, heilen, von Schuld lossprechen. Dabei geht fast die ganze Energie in Organisation auf. Zählen, wie viele in die Kirche dürfen u.ä.
Alles umsonst!
Es wundert mich dann nicht, wenn ich fast frustriert höre: „Es ist ja eh alles umsonst …“ Wie oft sagen wir das. Wir haben uns nach Kräften engagiert, aber der erhoffte Erfolg bleibt aus. Wir haben viel investiert und es ist kein Fortschritt zu erkennen, eher geht alles zurück. Es lohnt sich nicht, denken wir: „Es ist ja doch alles umsonst …“
Das lateinische Wort für dieses „umsonst“ heißt frustra, es ist heute in aller Munde: frustriert! Ich bin frustriert, weil meine Anstrengungen so wenig bringen; ich bin frustriert, weil ich nicht weiterkomme; ich bin frustriert, weil bei all meinem religiösen Bemühen, bei Gebet, Gottesdienst und Nächstenliebe so wenig herausspringt. Alles umsonst!
Gratis
Es gibt ein ganz anderes Umsonst: „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben“, so hören wir es diesen Sonntag im Evangelium aus dem Munde Jesu. Das ist ein Kernwort unseres Glaubens. Im lateinischen Text steht da nicht frustra, sondern gratis. Das klingt ganz anders. Unser deutsches „umsonst“ ist doppeldeutig.
Die lateinische Sprache hat dafür zwei Ausdrücke: frustra und gratis. Was ich euch geben möchte, sagt Jesus, das könnt ihr euch nicht erarbeiten, das bekommt ihr gratis. Das folgt nicht den Gesetzen des Rechnens, sondern des Schenkens. Ihr empfangt das Heil umsonst. Es ist von seinem Wesen her ganz und gar gratis. Deshalb könnt ihr es auch nur umsonst weitergeben.
Es gibt Erfahrungen, die kann man nicht machen oder mit Geld kaufen. Auch nicht mit dem größten Einsatz seiner Talente.
Den Glauben kann man nicht herstellen, er stellt sich ein.
Freude kann man nicht herstellen, sie stellt sich ein.
Liebe kann man nicht herstellen, sie stellt sich ein. Man kann sie sich letztlich nicht verdienen, sie ist gratis. Wer an verschmähter Liebe leidet, der weiß, dass Geliebt-Werden Gnade ist. Liebe ist unbezahlbar.
Ein Geschenk des Himmels
So ist es mit der Liebe Gottes, die sich in Jesus Christus offenbart hat. Sie ist nicht zu verdienen, für kein Geld in der Welt. Sie ist unbezahlbar, gratis. Wer seinen Glauben berechnen will in Aufwand und Ertrag, der merkt bald: Das bringt nichts, das ist umsonst, und er ist frustriert. Wer ihn dagegen wie ein Geschenk des Himmels annimmt, der merkt bald: Das kann ich mir gar nicht verdienen und erkaufen, das ist unbezahlbar, gratis.
Gratis, darin steckt das lateinische gratia (= Dank). Dank ist nicht gleichzusetzen mit Erfolg oder Entgelt. Aber Dank ist auch nicht nichts. Dank ist die angemessene Antwort auf das empfangene Geschenk. Er gebührt zunächst nicht den Boten des Evangeliums. Sicher ist auch ihnen zu danken, wenn sie gratis weitergeben, was sie empfangen haben. Aber an erster Stelle und vor allem ist Christus zu danken, denn von ihm haben wir das Heil empfangen. Darum feiern wir die Eucharistie, die große Danksagung der Kirche.
Ich wüsche Ihnen einen Sonntag, an dem sie entdecken, wie beschenkt sie sind! Umsonst! Gratis!
Ihr Pfarrer in R. Johann Zarl