Heiliger Stephanus
Was ist nur aus der Idylle von Weihnachten geworden? Das kleine Kind von Betlehem – Grund für Mord und Totschlag? Stephanus platzt heute mit seiner blutigen Geschichte einfach in unsere festliche Weihnachtsstimmung hinein. Als erster Märtyrer färbt er heute den sternenübersäten Himmel über Betlehem blutrot. Was soll das?, so kann man sich fragen. Hätte man für diesen Märtyrer Stephanus denn keinen anderen Gedenktag finden können als ausgerechnet diesen 2. Weihnachtstag, an dem wir doch so gerne noch Weihnachten feiern wollen, obwohl in diesem Jahr die Stimmung etwas trüber ist. Trotzdem ist diese brutale Steinigungsgeschichte direkt am 2. Weihnachtstag etwas Verstörend. Das kleine Kind von Betlehem provoziert. Es holt einerseits das Beste aus dem Menschen heraus, wie wir am Leben vieler Heiliger sehen können. Aber die Liebe zu diesem Kind kann auch das Schlimmste im Menschen provozieren: den Wunsch zu vernichten, zu zerstören, mundtot zu machen. Und deshalb ist heute, am zweiten Tag des Weihnachtsfestes, der Tag, um an die verfolgten Christen überall in der Welt zu denken und für sie zu beten.
Das Christentum ist weltweit die am stärksten verfolgte Religion. In den 50 Ländern, die die Organisation “Open Doors” auf dem Weltverfolgungsindex listet, leben rund 600 Millionen Christinnen und Christen, über 250 Millionnen davon sind einem hohen bis extremen Maß von Verfolgung ausgesetzt. Christen leiden in vielen Ländern nicht nur an einem Mangel an Religionsfreiheit, ihnen wird auch eine Vielzahl anderer grundlegender Menschenrechte vorenthalten. Besonders zu nennen sind das Recht auf den Schutz vor willkürlicher Verhaftung, das Recht auf ein faires Verfahren, das Recht auf Zugang zu Gerichten, Gleichheit vor dem Gericht, das Recht auf Familie, die Minderheitenschutzrechte, die Rechte der Frauen, die Rechte der Kinder, Probleme von Menschenrechtsverteidigern, und nicht zuletzt das Folterverbot.
Wie auf Stephanus fallen auf Christen tausend Steine, die sie niederhalten sollen. Diese Steine fallen heute am Stephanustag auf die Krippe. Denn Jesus verbindet sich mit den Opfern und den Stummgemachten in dieser Welt. Der „holde Knabe im lockigen Haar“ – getroffen von harten, kalten Steinen! Stephanus zeigt uns die Konsequenz von Weihnachten auf. Es ist leicht, sich über ein kleines, süßes Baby zu freuen, das da „in Windeln gewickelt in einer Krippe“ liegt. Aber wenn wir wirklich Weihnachten feiern, dann dürfen wir bei diesem Bild nicht stehen bleiben. Schon wenige Jahre später wird aus dem goldigen Kind ein erwachsener Mann, der uns mit schmerzverzerrtem Gesicht und Wunden am ganzen Körper vom Kreuz herab anblickt. Gehen wir diesen Weg auch mit – diesen unangenehmen, den unbequemen, den schweren, den Kreuzweg? Es gehört dazu, dass man wie Jesus, wie Stephanus, auch ernste Konsequenzen nicht scheut. Wenn es unbequem wird, dann klingt uns die Antwort des Engels in den Ohren: Fürchtet euch nicht! Denn unser Gott, der uns liebt, ist mit uns. Gott, der sich aus Liebe zu jedem einzelnen Menschen als Kind in der Krippe selbst hingibt, stehe uns bei – an Weihnachten noch mehr als sonst.
Dr. Isaak Padinjarekutu