Impuls für den 6. Sonntag der Osterzeit B 2021
„Kann ich das so machen? Meinst du, so wird es gut? Könntest du dir das bitte mal anschauen und mir Rückmeldung geben?“
Oft und oft stelle ich solche Fragen meiner Mentorin im ersten Unterrichtsjahr, meinem Doktor-vater und der Doktor-mutter oder auch der Mitschwester, die mich auf meinem geistlichen Weg begleitet und sehr oft habe ich sie meiner Mama schon gestellt. Ja, an die Mütter und alle „mütterlichen Menschen“ wollen wir heute am Muttertag in ganz besonderer Weise denken. Aber nicht nur heute sind wir ihnen dankbar dafür, dass sie uns das Geschenk des Lebens gegeben oder verdeutlicht haben. Nein, nicht nur heute – zu ihnen besteht zeitlebens eine ganz eigene Verbindung.
Sie begleiten uns in besonderer Art und Weise. Und ich bin froh und dankbar, dass solche Menschen mein Leben bereichern, mir helfen als Person zu wachsen und zu reifen. Und die mir mit einem „Ja! Trau dich!“ oft auch den letzten positiven Schubser gegeben haben, wenn ich noch nicht springen wollte. Sie sind für mich wichtige Ratgeber und gute, ja echte Freundinnen und Freunde.
Im Evangelium werden wir heute in eine ähnliche, aber viel existentiellere Situation hineingenommen.
Der Abschied Jesu steht unmittelbar bevor. Er verspricht seinen Jüngern: ich lasse euch nicht allein. Ich stehe euch bei mit meinem Geist. Wie sie sich das vorstellen können, ist den Jüngern vermutlich nicht klar. Sicher ist, dass es ganz anders sein wird als bisher.
Wenn ich mich in diese Situation mit meinen Fragen, auch meiner Unsicherheit und meinen Selbstzweifeln hineinversetze, dann wäre ich ziemlich verzweifelt: „Ich trau mich nicht, ich bin noch nicht so weit, ich kann das nicht.“
Aber mit allem, was Jesus sagt, höre ich sein geduldiges aber bestimmtes doch:
„Doch. Denn ich habe dich erwählt. Mit deinen Fähigkeiten und mit deinen Grenzen. So wie du bist, so kann ich dich brauchen, so sollst und kannst du Frucht bringen. Deshalb kannst du dich trauen.
Doch. Du bist so weit. Dir und den anderen habe ich alles mitgeteilt, gezeigt, verkündet, was ich vom Vater gehört habe. Ihr seid nicht Knechte, die eben zu tun haben, was der Herr ihnen befiehlt, die aber von der Gesamtidee keine Ahnung haben und bei denen es nicht wichtig ist, ob sie verstanden haben, worum es überhaupt geht. Nein, sagt Jesus. Ihr seid meine Freunde. Ich habe euch gezeigt, erklärt, vorgelebt, worauf es ankommt. Und deshalb: tut was ich euch auftrage. Handelt genauso.
Und Jesu drittes doch: Du kannst das. Zusammen mit den anderen. Bleibt in der Liebe, die wie ein Lebensstrom durch mich vom Vater zu euch fließt. Steht treu zu meinen Worten, zu dem, was ich euch von Gott her verkündet habe. Dann habt ihr eine Richtschnur für euer Denken, Sprechen und Handeln. So wie ich euch geliebt habe, könnt und sollt ihr einander lieben.“
Liebe Schwestern und Brüder,
dieser Lebensstrom der Liebe reißt nicht ab, auch wenn Jesus nicht mehr leibhaftig unter den Seinen ist. Er reißt bis heute nicht ab, sondern wir sind hineingestellt durch Taufe und Firmung, als einzelne und als Gemeinschaft der Kirche.
Und dafür können uns gerade die „mütterlichen Menschen“, die ich eingangs erwähnt habe, immer wieder Zeugnis und damit Erinnerung sein. Sie leben diese Liebe und schenken sie weiter.
Die Zusage Jesu gilt: Ihr seid meine Freunde. Ich habe euch erwählt. Aber die Zusage fragt mich auch an: Lebe ich aus dieser Freundschaft? Bin ich so verankert in dieser Liebe, dass ich aus ihr heraus mein Leben und meine Beziehungen gestalte? Und traue ich mich, aus mir herauszugehen, von mir abzusehen, mich aufzumachen und Frucht zu bringen, andere in Berührung zu bringen mit dieser Liebe?
Diese Fragen stellen sich für jeden einzelnen für uns und sie stellen sich für die Kirche, auch in allen Fragen, die im Moment heftig diskutiert werden.
Lassen wir uns also von den Zusagen Jesu, von seinem Doch in unseren Zweifeln bestärken. Und wagen wir Schritte der Umkehr, wo wir Jesu Freundschaft und Liebe nicht entsprechen.
Bernadette Schwarz, Kandidatin der Marienschwestern vom Karmel
9. Mai 2021