Gedanken zum 5. Fastensonntag: B Johannes 12,20-26
Ein Weizenkorn versteckte sich in der Scheune. Es wollte nicht ausgesät werden. Es wollte sich nicht opfern und sterben. Es wollte sein Leben retten. Es wollte prall und goldgelb bleiben. Es wollte sich selbst finden und verwirklichen.
Es wurde nie zu Brot. Es kam nie auf den Tisch. Es wurde nie gebrochen und gesegnet, ausgeteilt und empfangen. Es schenkte nie Leben und Kraft. Es gab nie Freude und Sättigung.
Eines Tages kam der Bauer. Mit dem Staub der Scheune kehrte er das Weizenkorn hinweg und gab es zum Abfall.
„Mein Nektar gehört mir“, sagte die Sonnenblume, „ich lasse keine Biene naschen!“ Sie blühte noch eine kleine Zeit, verwelkte dann und hatte keine Frucht.
„Ich lasse mich doch nicht zerschneiden und auspressen“, sagte die Zitrone. Sie war reif und saftig. „Ich will mich selbst verwirklichen und entfalten!“ Sie lag noch eine Weile in der Obstschale, verfaulte dann aber, stank und kam in den Mülleimer.
Geschichten, die im Blick auf das Sonntagsevangelium ein Bild für unser Leben sind.
Menschen möchten leben, aber sie tun alles, um ihr Leben zu mindern. Sie wollen alles und verlieren dabei das Wichtigste. Sie halten Dinge fest, die sie ohnehin loslassen müssen, und lassen Werte los, die sie in Ewigkeit behalten könnten.
Es gibt ein fruchtbares Leben, wenn man sein Leben einsetzt und sich aussäen lässt. Dann können, vielleicht auch unter persönlichen Opfern, die herrlichsten Lebensfrüchte wachsen.
Es gibt ein furchtbares Leben, wenn man sein Leben nur für sich und sein eigenes Glück behalten will. Es wird nichts wachsen können und bald das Leben vertrocknen.
Fruchtbar und furchtbar – ein Buchstabe nur, der seinen Standort gewechselt hat – und schon verschafft er den beiden Worten eine so unterschiedliche Bedeutung.
Vom Leben und Sterben, vom sich selbst Opfern und vom Gerettet werden spricht das Evangelium vom 5. Fastensonntag. Bei Johannes 12,24 – 25 heißt es:
Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es reiche Frucht.
Wer sein Leben liebt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben.
Unter den Pilgern beim Paschafest in Jerusalem sind auch einige Griechen unter den Pilgern. Die wollen Jesus sehen und sie bitten seine Jünger, ihnen den Weg zu Jesus zu ebnen.
Die Griechen galten als die großen Sucher nach der Wahrheit, die Gelehrten des Altertums. Sie, die Heiden, suchen die Wahrheit auch bei Jesus.
Und was antwortet ihnen Jesus. „Die Stunde ist gekommen, dass der Menschsohn verherrlicht wird. Amen, amen, ich sage euch. Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.“
Das gehört zum Kern seiner Botschaft: Jesus geht seiner Vollendung entgegen. Im Tod ist Leben. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Das gilt bis heute.
Da ist eine junge Frau, Kayla Müller. Sie arbeitete bei „Ärzte ohne Grenzen“ in Syrien und wurde von der IS-Terrormiliz verschleppt und ist von ihnen ermordet worden. Ihre Briefe, die gerettet werden konnten, erzählen davon, was ihr in der Haft Kraft gegeben hat. Sie schreibt:
„Gott ist der einzige, den man hat. Manche Menschen finden Gott in der Natur, ich finde Gott im Leid.“
Da gabt es 21 koptische Christen, die öffentlich hingerichtet wurden, weil sie Christen sind. Das Video von der Hinrichtung ging um die Welt, als Zeichen der Macht. „Wir werden das Meer mit eurem Blut tränken!“ so lautete die Botschaft des Videos.
Zugegeben, zwei bewegende Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit. Das Weizenkorn muss sterben…. Die Früchte sind unübersehbar…
Die Briefe von Kayla Müller wurden veröffentlicht. Sie sind Zeugnis dafür, dass jemand sein Leben für Gott hingibt, und sie werden der Same sein, der auch auf gutes Land fällt und weiterhin Frucht bringt.
Die 21 koptischen Christen sind nicht umsonst gestorben. Viele verfolgte Christen berichten, wie sehr sie dieses Beispiel in ihrem Glauben an den lebenspendenden Gott gestärkt hat.
Nichts hat den Glauben an den auferstanden Herrn in der Urkirche mehr gefördert als die Zeit der Verfolgung. Das Blut der Märtyrer wurde zum Samen für neue Christen.
Seien wir dankbar, dass wir unseren Glauben frei leben dürfen, ohne dafür verfolgt zu werden. Aber seien wir vorsichtig, dass wir den Wert unseres Glaubens an Christus nicht geringschätzen, weil er uns Christen im Westen scheinbar nicht so viel abverlangt.
Auch für uns gilt: nur im Sterben kann neues Leben erstehen. Im Tod ist Leben.
Das erleben wir am deutlichsten in der Natur. „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es reiche Frucht.“
Darum ist Christus für uns Mensch geworden. Darum dürfen wir Ostern feiern. Heuer hoffentlich wieder gemeinsam. Das wünsche ich ihnen und darauf freue ich mich.
Ihr Pfarrer i. R. Johann Zarl