Heilige und Sünder
23. Sonntag im Jahreskreis
Vor einigen Wochen haben wir das Fest unseres Diözesanpatrons Hippolyt von Rom gefeiert. Er war der erste „Gegenpapst“ in der Kirchengeschichte. Trotzdem verehrt die Kirche ihn als einen Heiligen. Der Grund dafür ist, dass er sich später mit dem amtierenden Papst versöhnte und beide als Märtyrer starben. Der Grund der Streitigkeit war die Bußpraxis in der römischen Gemeinde. In manchen Gemeinden gab es eine strenge Bußpraxis, aber Rom war in dieser Hinsicht von Anfang an etwas nachsichtig. Hippolyt war dem konservativen Flügel zuzuordnen. Er hatte Anhänger, und sie machten ihn zu ihrem Führer und zum Gegenpapst.
Papst Franziskus wird nie müde zu sagen, dass die Kirche keine Gemeinschaft der Vollkommenen ist, dass sie voller Menschen ist, die erkennen, dass sie Sünder sind. Aber in der Geschichte der Kirche gab es immer wieder Bewegungen, die die Kirche zu einer Gesellschaft der „Heiligen“ und „Vollkommenen“ machen wollten und andere als Sünder ausschlossen. Wir haben also Bewegungen wie Montanismus, Novatianismus, Priscillianismus, Donatismus und viele andere, die von engagierten Christen angeführt wurden. Sie haben eine rigoristische Position in Bezug auf die christliche Moral eingenommen und wollten keine Schwächung ihrer Standards. Solche Gruppen entstanden auch in den späteren Jahrhunderten des Christentums, und die Tendenz gibt es auch heute. Sie behaupteten, dass sie dem Ideal der frühchristlichen Gemeinschaft folgten, die als exklusive Gemeinschaft lebte und auf das zweite Kommen Christi wartete. Der heilige Augustinus gab das beste theologische Argument gegen diejenigen, die die Kirche als die Gemeinschaft der Vollkommenen betrachteten und die Sünder ausschlossen. Er sagte, dass das wahre Zeichen der Kirche nicht Heiligkeit, sondern Liebe sei und dass diejenigen, die die Kirche in Sünder und Heilige aufteilten, nicht ihre Heiligkeit zeigten, sondern ihre Lieblosigkeit. Er hat ja selbst die Erfahrung gemacht, was es heißt, ein Sünder zu sein.
Im heutigen Evangelium ist von einer der frühesten christlichen Gemeinden die Rede, in der es Menschen gibt, die Sünden begangen haben. Aber wie geht die Gemeinde damit um? Mit Nachsicht und Geduld. Der Ton ist positiv, unvoreingenommen und sachlich. Der Betreffende wird nicht mit dem Wort ‚Sünder‘ bezeichnet, sondern als ‚Bruder‘. Zuerst ist ein Gespräch unter vier Augen zu führen, dann sollen ein paar Zeugen hinzugezogen werden und dann die ganze Gemeinde. Und auch wenn dieser Versuch fehlschlägt, soll man den Betreffenden in Ruhe lassen. Von Verurteilung und Verdammung ist keine Rede. Die Freiheit des Einzelnen, der sich nicht mehr als dazugehörig versteht, ist zu respektieren.
Die Kirche braucht, wie jede Institution, Ordnung, Disziplin und Regeln, um das Leben ihrer Mitglieder zu regeln. Aber die Kirche ist mehr als eine soziale Organisation. Es geht nicht nur um gutes Verhalten, sondern um die Realität der Sünde / des Bösen selbst. Wir müssen zugeben, dass die Einstellung zur Sünde in der Kirche immer ein Problem war. Einst drangsalierten Seelsorger die Katholiken mit Sündenpredigten und stürzten sie in Höllenangst, besonders, wenn es um Sexuelles ging. Die kirchlich erzeugten Neurosen haben ganze Generationen geplagt und viele aus der Glaubensgemeinschaft vertrieben. Andererseits kann aber niemand leugnen, dass es die Sünde analog zu das Böse gibt. Die Realität des Bösen sollte nicht leicht genommen werden. Es ist ein Teil von uns. Der heilige Paulus sagt im Römerbrief: „Das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das vollbringe ich. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, dann bin nicht mehr ich es, der es bewirkt, sondern die in mir wohnende Sünde“ (Röm 7,18b-21). Aber wir leben in einer Zeit, in der dieses Bewusstsein praktisch verschwunden ist. Oder wir unterdrücken es, und wenn es in unserem Leben ausbricht, versuchen wir, die Schuld woanders zu sehen, und dabei trennen wir uns von anderen. Es gibt Arroganz und sogar Verachtung gegenüber anderen in diesem Verhalten. Und damit sind wir bereits Teil des Netzwerks des Bösen in der Welt.
Dieses Verhalten hat einen Namen: „Unschuldswahn“. Es braucht schon gehörige Willensstärke, zu dem zu stehen, was ich selbst Unrechtes getan und verbrochen, worin ich selbst versagt habe, nicht ein anderer. Die Seelsorge hat sich auch dem Weichspülen angepasst, indem sie es möglichst vermeidet, individuelle, subjektive Sünde noch als solche zu benennen, um vielleicht nicht auch die Letzten zu verprellen. Man meint es der Gesellschaft schuldig zu sein, nur das Gefällige, Allerweltliche, Naheliegende zu sagen, und dem Kulturbetrieb nichts Irritierendes zuzumuten. Daher ist es wichtig, über Sünde, Umkehr, Versöhnung, Bekehrung usw. als Teil einer sinnvollen Seelsorge zu reden, aber das bedeutet nicht, dass wir die Menschen einschüchtern, was nur negative Auswirkungen haben wird. Die Matthäusgemeinde hat uns etwas zu sagen.
Dr. Isaac Padinjarekuttu